Spitzenwinzer Aaron Schwegler im Interview
- Jochen Mössner
- MAGAZIN
- 10.12.2024
- Aaron Schwegler steht für handwerkliche Präzision und eine tiefe Verbindung zur Natur. Als Winzer aus der Region Württemberg hat er sich mit seinen charakterstarken und nachhaltig produzierten Weinen einen festen Platz in der Weinlandschaft erarbeitet. Mit einer Leidenschaft für traditionelle Methoden und einer modernen Vision für den Weinbau, versteht er es, das Terroir seiner Heimat auf einzigartige Weise in die Flasche zu bringen. Heute haben wir die Gelegenheit, mit Aaron über seine Philosophie, die Herausforderungen des modernen Weinbaus und die Geschichten hinter seinen Weinen zu sprechen.
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Geschichte und Einstieg in den Weinbau
Aaron, das Weingut Albrecht Schwegler wurde 1990 von Deinen Eltern als Nebenerwerbsprojekt gegründet und schnell von nationalen Weinkritikern gelobt. Du hast die Schule in der 11. Klasse abgebrochen, um eine Lehre zum Winzer zu beginnen. Hast Du Dich in der Schule unterfordert gefühlt, und war das Lernen in der Berufsschule für Dich erfüllender?
Ich denke viele andere Menschen können nachvollziehen, dass die Schulbank zu drücken nicht immer größte Freude sein muss. Bei mir persönlich war es so, dass ich mir sicher war nach der Schule Winzer werden zu wollen.
Weitere zwei Jahre die Schule zu besuchen „nur“ um mit Abitur abschließen zu können und erst später Winzer werden zu können war für mich absolut irrational. Ich wollte damals jeden Tag aufs Neue aufstehen und das tun, was mich begeistert. Wein machen.
Tatsächlich erlebte ich mit Themen die mich persönlich interessierten auch einen vollständig veränderten Schulalltag an der Berufs- und späteren Technikerschule.
- Erfahrungen in der Weinwelt
In Deinem Lebenslauf findet man Stationen bei renommierten Weingütern wie Dr. Heger, Gantenbein, Bernhard Ellwanger und Jim Clendenen in Kalifornien. Welche dieser Erfahrungen hat Dich am meisten geprägt, und was hast Du persönlich am meisten mitgenommen?
Für mich persönlich gibt es kein Ranking unter den Stationen die ich während und nach meiner Ausbildung besucht habe. Ich durfte in allen Betrieben und Ländern unglaublich tolle Menschen kennenlernen, die Wein leben. Wein hat für mich, gesetzt der Fall man lebt die Chance auch aus, die größte Fertigungsdichte unserer „alltäglichen“ Genussmittel. Von einem Stück Rebholz, dass bewusst ausgewählt in Sorte, Klon und Unterlage auf ausgewählten und passenden Lagen und Böden gepflanzt wird bis hin zum fertigen Glas Wein haben wir als Winzer alle einzelnen Schritte in der Hand. Das mit unterschiedlichen Philosophien und Sorten erleben zu dürfen war extrem vielfältig und lehrreich. Dabei nie die Akribie und Detail Versessenheit zu verlieren, ist das was mich mit jeder Parzelle und jedem neuen Jahrgang begeistert. Ich bin zudem froh an allen Stationen Menschen kennengelernt zu haben, mit denen ich bis heute freundschaftliche und kollegiale Verbindungen pflegen kann und darf und bis heute ein reger Austausch an fachlicher Expertise und Weinerlebnissen geteilt wird.
- Expansion des Weinguts
Deine Eltern begannen mit weniger als 2 Hektar Rebfläche. Im Remstal ist es bekanntlich eine Herausforderung, geeignete und bezahlbare Rebflächen zu finden. Wie schwierig war es, auf die heutigen rund 15 Hektar zu erweitern, und welche Herausforderungen habt Ihr dabei gemeistert?
Meine Frau Julia und ich wollten den Weinbau in Vollzeit betreiben. Zu Beginn war es unglaublich schwierig an passende Rebflächen zu kommen. Bis heute ist es zudem so, dass in den seltensten Fällen die Rebsorten und Klone in neuen Weinbergen zu unserer Philosophie passen. Sobald wir neue und passende Rebflächen bekommen haben, haben wir diese zu Beginn gerodet und mit passenden Rebsorten angepflanzt. In der Art und Weise wie wir Wein an- und ausbauen bedeutet das ca. 6-7 Jahre Invest bis zum ersten Euro Umsatz. Das war als junge Unternehmerfamilie oftmals ein Leben am Limit. Trotzdem haben wir uns nie von unserem Weg abbringen lassen, unseren Weinen Zeit und Ruhe beim Ausbau zu geben. Unsere Linie für jeden Tag „von den Parzellen“ reift für mindestens ein Jahr auf der vollen Hefe, beim Rosé brut und beim ROT von den Parzellen übersteigt die Dauer der Reife in Fässern und Flaschen diese Zeit deutlich.
Heute sind wir innerhalb kürzester Zeit mit anderen Strukturen in unserer weinbaulichen Kulturlandschaft beschäftigt. Als nach wie vor stark genossenschaftlich geprägte Region erleben wir eine Vielzahl von aufgegebenen Nebenerwerbsbetrieben deren Flächen seither durch die jetzt ausscheidende Generation bewirtschaftet wurden. Innerhalb von den letzten drei Jahren hat sich die Situation am Flächenmarkt um 180° gewendet. Wenn wir wollten, könnten wir unseren Betrieb umgehend weiter vervielfachen. Derzeit sind wir intensiv im Austausch mit Kollegen und versuchen gemeinsam die bestehenden Betriebe und Flächen weiter zu arrondieren und haben die Chance aus den besten Lagen im Remstal frei auswählen zu können und unser Lagenportfolio und vielleicht irgendwann das unserer Kinder weiter zu verbessern.
- Zusammenarbeit und Übergabe
Seit 2016 leitest Du das Weingut gemeinsam mit Deiner Frau Julia. Wie verlief die Übergangsphase? Hat Dein Vater Dir freie Hand gelassen, oder gab es auch Diskussionen und Herausforderungen?
Wir hatten eine unglaublich gute Übergabe. Wenn wir Unterstützung und Rat brauchten fanden wir immer ein offenes Ohr- wenn nicht galt der Grundsatz „wer zahlt bestimmt“. Wissend, dass das alles andere als üblich ist bin ich dafür sehr dankbar. Von meinen Eltern haben wir immer die maximale Unterstützung erlebt. Beginnend damit, dass sie mich dabei unterstützten meinen Traum zu leben und die Lehre zu beginnen anstatt ihren Traum zu leben und mit Abitur ein Studium abzuschließen, bis heute, an dem beide wann immer gebraucht mit vollem Einsatz mit dabei sind.
Ich hoffe diese Größe zu gegebener Zeit selbst zu haben.
- Ökologie und Nachhaltigkeit
Ökologische Bewirtschaftung, Nachhaltigkeit und Terroircharakter sind für Dich zentral. Welche Herausforderungen bringt der Klimawandel in diesem Bereich mit sich? Siehst Du PIWIs als Zukunft im ökologischen Weinbau, oder welche anderen Möglichkeiten gibt es?
Wir sollten uns als Winzer bewusst sein, dass wir ein Produkt herstellen, das keiner „braucht“. Für diejenigen die es „brauchen“ sind wir ethisch und moralisch verpflichtet es nicht herzustellen oder ihnen nicht zu veräußern. Anders als bei der Produktion von entscheidenden Lebensmitteln und Grundnahrungsmitteln gibt es für mich daher auch wenig Diskussionsgrundlagen, was im Weinbau rechtfertigbar ist an Industrialisierung oder im Umgang mit Böden und Natur.
Wir erleben den Klimawandel als Winzer draußen in allen seinen Facetten. Spätreife Sorten profitieren von der derzeitigen klimatischen Entwicklung noch- aber neben diesen Effekten steigt das Risiko für Spätfröste, Wetterlagen werden beständiger, länger anhaltende trockene aber auch niederschlagsreiche Phasen machen uns gerade im ökologischen Weinbau zu schaffen.
Wir nehmen unsere Verantwortung hierbei als Landwirte und Winzer sehr ernst und möchten dazu motivieren dies auch bewusst im Konsum zu tun. Billy Wagner vom „Nobelhart und Schmutzig“ formte den Ausruf: „fass dein Essen wieder an“. Wir möchten dazu aufrufen: „Frag nach, woher dein Essen und Trinken kommt bevor du es anfasst!“ Wer und welche Konsequenzen trägt mein Handeln durch den einzelner Produkte. Wir wünschen uns einen guten gesellschaftlichen Ansatz in der Fortführung oft verfahrener Diskussionen, die Lösung vieler aktueller Probleme im Umgang mit unserer Natur und Umwelt liegt bei uns als Landwirten und Winzern. Der Schlüssel zur Lösung liegt in der Hand bewusster Verbraucher. Für unser Weingut sehen einzelne Lösungen wie folgt aus:
Unsere Weine entstammen einzeln betrachteten Parzellen, die individuell, teils mit mehrjährig bestehenden, teils mit wechselnden Einsaaten ein Gleichgewicht finden dürfen. Ein Weinberg muss für uns als Ganzes, in sich geschlossenem System funktionieren. Ohne zusätzlichem Dünger, ohne Bewässerung in Ertragsanlagen.
Die Überzeugung zieht sich vom Weinberg bis in den Weinkeller. Wir wollen Weine abfüllen die ohne große Eingriffe außer unserem Handwerk und unserer Interpretation ihre Herkunft widerspiegeln. Das völlig frei von jeglichem Dogmatismus. Alle unsere Weine werden vor der Füllung leicht geschwefelt, ansonsten verwenden wir keinerlei Schönungs- oder Behandlungsmittel. Gelebtes Handwerk und aufmerksame Beobachtung der Weine ist alles, was wir unsere Weine neben viel Zeit im Keller erfahren.
In PIWIS sehen wir derzeit nur eine Übergangslösung. Wir haben in unserem Betrieb ca. 10% PIWI Flächen bereits seit Anfang der 2000er im Anbau. Der um ca. 80% verringerte Verbrauch von Pflanzenschutzmitteln spricht hier für sich. Allerdings sind alle derzeitigen PIWI Züchtungen uns stilistisch zu laut, zu brutal um sie einzeln auf die Flasche zu bringen. In unseren Cuvées bringen sie weitere Vielfalt und Tiefe, einzeln sind die Weine vor der Assemblage oft so mächtig, dass sie mich noch vor dem zweiten Glas erschlagen würden. Zudem sind alle derzeitig verfügbaren PIWI-Sorten sehr früh, oft wesentlich zu früh reif, was mich zusätzlich zu den organoleptischen Tatsachen die nächste Generation abwarten und entsprechend beobachten lässt, ob kommende Sorten auch dem klimatischen Wandel entgegentreten können.
- Zukunft und Innovation
Was sind Deine Pläne für die Zukunft des Weinguts? Denkst Du über die Einführung neuer Weine oder den Anbau trendiger Rebsorten wie Sauvignon Blanc nach?
Wir durften die letzten Jahre wachsen und unser Portfolio vertiefen und verfeinern. Gleichzeitig galt für uns immer – Wir machen uns frei von Trends und Moden –
Anstehende Pflanzungen in unserem Weingut werden Rebsorten aus wesentlich südlicheren Regionen sein. Sowohl bei den weißen als auch bei den roten Rebsorten.
Wir leben Vielfalt und bei unseren Weinen Cuvées und Vielschichtigkeit. Uns verbleiben noch vielleicht 20-25 Jahrgänge, die wir ernten und verarbeiten werden können oder dürfen. Bis dahin kommen die heute gepflanzten Rebanlagen in ihre Blütezeit und müssen dann immer noch den klimatischen Ansprüchen genügen können. Wir dürfen heute Merlot und Cabernet franc ernten, den die Generation vor uns in den 80er und 90er Jahren gepflanzt haben und möchten dieses großartige Geschenk, sofern es jemand annehmen möchte weitergeben.
Wer Entscheidungen für die nächsten Jahrzehnte treffen muss, muss sich auch eingestehen können: „Trends? F*c k it.“