Chilenischer Weinbau aus dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit
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Jochen Mössner
- MAGAZIN
- 22.01.2025

Oft stellt man sich die Frage, ob der Kauf von Weinen aus Übersee, insbesondere aus Ländern wie Chile, angesichts der CO₂-Emissionen verantwortbar ist. Der lange Transportweg über den Atlantik lässt vermuten, dass der ökologische Fußabdruck solcher Produkte automatisch höher ist als der von regionalen oder europäischen Weinen. Doch eine genauere Betrachtung zeigt, dass diese Annahme nicht immer zutrifft.
Zunächst betrachten wir jedoch die Geschichte, Anbaugebiete und Rebsorten des chilenischen Weinbaus.
Geschichte des Weinbaus in Chile
Die Wurzeln des chilenischen Weinbaus reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Spanische Konquistadoren brachten um 1540 die ersten Weinreben mit in die Region, hauptsächlich für die Produktion von Messwein. Die Rebsorte País, auch als Mission bekannt, war die erste bedeutende Rebsorte im Land und wird bis heute in kleinen Mengen kultiviert.
Im 19. Jahrhundert erlebte der Weinbau in Chile einen entscheidenden Wandel: Französische Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot und Carmenère wurden eingeführt, was die Qualität der Produktion maßgeblich steigerte. Besonders bemerkenswert ist dabei die Geschichte der Rebsorte Carmenère. Diese fast ausgestorbene Bordeaux-Sorte wurde nach ihrer Einführung in Chile jahrzehntelang mit Merlot verwechselt, da beide Sorten ähnliche Eigenschaften aufweisen.
Erst 1994 stellte der französische Ampelograf Jean-Michel Boursiquot fest, dass ein Großteil der als Merlot bezeichneten Reben in Wirklichkeit Carmenère war. Dieser Irrtum war möglich, weil die Carmenère-Rebe in Chile perfekt gedeihen konnte und dort keine Reblaus-Plage auftrat, die sie in Europa nahezu ausgelöscht hatte. Seit der Entdeckung ihres wahren Ursprungs gilt Carmenère als die charakteristische Rebsorte Chiles und wird oft als Symbol für den Erfolg des chilenischen Weinbaus gesehen.
Die Isolation Chiles durch die Anden im Osten und den Pazifik im Westen bewahrte das Land vor der Reblaus-Katastrophe, wodurch Chile bis heute einige der ältesten, wurzelechten Reben der Welt besitzt.
Geografische und klimatische Besonderheiten
Chile erstreckt sich über eine Länge von 4.300 Kilometern und bietet eine beeindruckende Vielfalt an geografischen Bedingungen. Die Weinbaugebiete sind hauptsächlich im zentralen Tal (Valle Central) konzentriert, das zwischen den Anden und der Küstenkordillere liegt.
Die wichtigsten Weinbauregionen sind:
- Aconcagua-Valley: Bekannt für rote Rebsorten wie Cabernet Sauvignon und Syrah.
- Maipo-Valley: Das Herzstück des chilenischen Weinbaus, berühmt für seine erstklassigen Rotweine.
- Colchagua-Valley: Eine aufstrebende Region, die vor allem für Carmenère und Malbec bekannt ist.
- Casablanca-Valley: Ein kühleres Anbaugebiet, ideal für Weißweine wie Chardonnay und Sauvignon Blanc.
Das mediterrane Klima mit warmen, trockenen Sommern und kühlen Nächten sorgt für ideale Bedingungen, um Weine mit ausgeprägter Frucht und Frische zu erzeugen. Der Humboldt-Strom, eine kalte Meeresströmung vor der Küste, sorgt zudem für kühle Winde, die die Traubenreifung verlangsamen und so zur Entwicklung komplexer Aromen beitragen.
Daten und Fakten zum Weinbau in Chile
Chile ist mit einer Rebfläche von etwa 214.000 Hektar (Stand: 2023) eines der größten Weinbauländer der Welt. Es liegt weltweit auf Platz 7 in Bezug auf die Rebfläche und auf Platz 5 bei den Exportmengen.
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Hauptrebsorten:
- Rotweine: Cabernet Sauvignon (40%), Carmenère, Merlot, Syrah
- Weißweine: Sauvignon Blanc, Chardonnay
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Produktion: Jährlich werden etwa 12,8 Millionen Hektoliter Wein produziert, wovon fast 70 % exportiert werden.
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Exporte: Die wichtigsten Abnehmerländer sind die USA, China, Brasilien, Großbritannien und Deutschland.
Chile zeichnet sich auch durch seinen Fokus auf Nachhaltigkeit aus: Etwa 75 % der Weinbauflächen werden nach ökologischen oder nachhaltigen Standards bewirtschaftet.
1. Nachhaltigkeitszertifikat des chilenischen Weinbaus
Das sogenannte "Sustainability Code of Chilean Wine" ist ein freiwilliges Zertifizierungsprogramm, das 2011 von der Branchenorganisation Wines of Chile eingeführt wurde.
- Ziele: Förderung ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit.
- Drei Säulen:
- Umwelt: Fokus auf Biodiversität, Wassermanagement und Reduzierung des CO₂-Fußabdrucks.
- Gesellschaft: Faire Arbeitsbedingungen und soziale Verantwortung.
- Wirtschaft: Effiziente Ressourcennutzung und langfristige Rentabilität.
Bis heute haben viele der führenden Weingüter in Chile dieses Zertifikat erhalten, was ihre Verpflichtung zu nachhaltigem Weinbau zeigt.
2. Förderung der Biodiversität
Chile beteiligt sich an verschiedenen Projekten, um die biologische Vielfalt in Weinbergen und ihrer Umgebung zu schützen.
- Viele Weingüter arbeiten mit Naturschutzorganisationen zusammen, um Waldflächen, Feuchtgebiete und andere natürliche Ökosysteme zu erhalten.
- Die Förderung von Deckfrüchten und Nützlingspopulationen in den Weinbergen hilft, Schädlinge ohne den Einsatz von Chemikalien zu kontrollieren.
3. Wassermanagement
Da Chile von zunehmender Wasserknappheit und Dürre betroffen ist, haben Weingüter innovative Maßnahmen eingeführt:
- Tröpfchenbewässerung: Eine präzise Methode, um Wasserverluste zu minimieren.
- Wasser-Recycling-Systeme: Viele Weingüter nutzen gereinigtes Wasser für die Bewässerung.
- Regenwassernutzung: Einige Regionen entwickeln Systeme, um Regenwasser zu speichern und für Trockenzeiten zu nutzen.
4. CO₂-Reduktion und erneuerbare Energien
Chilenische Weingüter arbeiten daran, ihren CO₂-Fußabdruck zu reduzieren:
- Der Einsatz von erneuerbaren Energien, wie Solaranlagen, ist weit verbreitet.
- Viele Weingüter setzen auf leichtere Glasflaschen, um die Emissionen während des Transports zu senken.
5. Ökologische Weinbaupraktiken
Ein wachsender Anteil der Weingüter arbeitet nach biologischen oder biodynamischen Grundsätzen.
- Biologischer Weinbau: Der Verzicht auf synthetische Düngemittel und Pestizide fördert die Bodengesundheit.
- Biodynamischer Weinbau: Einige Weingüter wie Emiliana Vineyards und Matetic haben sich auf biodynamische Praktiken spezialisiert, die auf einem ganzheitlichen Ansatz beruhen.
6. Sozial- und Bildungsprogramme
Neben der ökologischen Nachhaltigkeit gibt es auch Programme, die die Lebensbedingungen der Arbeiter in den Weinbergen verbessern:
- Schulungen für Mitarbeiter, um nachhaltige Anbaumethoden zu erlernen.
- Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen sowie faire Löhne.
7. Internationale Partnerschaften
Chile arbeitet eng mit internationalen Organisationen wie dem Global Compact der Vereinten Nationen zusammen, um die Nachhaltigkeitsziele (SDGs) in der Weinproduktion zu fördern.
Gesamtbilanz: CO₂ pro Flasche Wein
Trotz des langen Transportwegs kann der CO₂-Fußabdruck chilenischer Weine mit europäischen Weinen mithalten, insbesondere bei Weingütern, die auf Nachhaltigkeit setzen. Bei chilenischem Wein liegt die Gesamtemissionen: 1,2–2,2 kg CO₂ bis der Wein im deutschen Regal steht. Bei europäischen Weinen liegen wir im Schnitt bei 1,4–2,7 kg CO₂. Der direkte Vergleich zeigt, dass die Herkunft allein nicht ausschlaggebend ist – die Nachhaltigkeit der gesamten Produktionskette spielt eine entscheidendere Rolle.
Chilenischer Wein – Qualität mit Verantwortung
Chilenischer Wein steht heute weltweit für exzellente Qualität, innovative Produktion und nachhaltige Werte. Dank einer einzigartigen Kombination aus idealem Klima, geografischen Besonderheiten und jahrhundertelanger Weintradition hat sich Chile als einer der führenden Weinproduzenten etabliert. Besonders die charakteristische Rebsorte Carménère, die weltweit fast nur in Chile zu finden ist, machen chilenische Weine zu einem unverwechselbaren Genuss.
Chile geht zudem als Vorbild in Sachen Nachhaltigkeit voran. Mit Programmen wie dem Sustainability Code und einem starken Fokus auf erneuerbare Energien, Wassermanagement und Biodiversität zeigen viele chilenische Weingüter, dass erstklassiger Wein und Umweltschutz Hand in Hand gehen können.
Ein bemerkenswerter Aspekt ist die CO₂-Bilanz: Trotz des langen Transportwegs nach Europa schneiden chilenische Weine oft gleich gut oder sogar besser ab als europäische Weine. Dies liegt an den energieeffizienten Produktionsmethoden, leichten Glasflaschen und dem Einsatz von Schiffstransporten mit geringem CO₂-Ausstoß.
Für Verbraucher, die Wert auf Nachhaltigkeit und authentische Weinqualität legen, ist chilenischer Wein eine hervorragende Wahl. Er vereint exotische Aromen, hohe Standards und einen verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen – ein Genuss für den Gaumen und das Gewissen.