Christoph Hammel über den Jahrgang 2023 und Ausblick in die Zukunft
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Jochen Mössner
- MAGAZIN
- 22.01.2024

Im heutigen Interview begrüßen wir einen Winzer, der in Deutschland wohl kaum noch einer Vorstellung bedarf: Christoph Hammel vom Weingut Hammel & Cie. aus der Pfalz. Bekannt geworden ist er vor allem durch seine aktive Präsenz in den sozialen Medien, wo er mit seinen ausführlichen Kommentaren für Furore sorgt. Nicht zu vergessen sind allerdings auch seine Weine. Besonders hervorzuheben sind hier seine Cuvées und weißen Rebsortenweine. Namen wie "Blaue Stunde", "Herz aus Gold", "Der mit dem Rosé tanzt", "Ein Tag am Meer", "Sissi & Franz" und seine "Liebfraumilch" haben sich zu echten Bestsellern in unserem Sortiment entwickelt.
Lieber Christoph, der Jahrgang 2023 gilt ja in der Pfalz als eher schwieriger Jahrgang und wird von vielen als Winzerjahrgang bezeichnet. Bist Du der gleichen Meinung, wenn ja, was hat den Jahrgang so schwierig gemacht und wie konnte der Winzer gegensteuern?
Christoph Hammel: Der Jahrgang 2023 war in der Tat, nicht einer der Leichtesten. Aber es gibt seit 2000 Jahren Weinbau in Deutschland, da kann nicht jeder Jahrgang ein Jahrhundertjahrgang sein, daß Leben ist ja nunmal bekanntlich kein Wunschkonzert. Bei manchen Jahrgängen verliert man die Ernte , teilweise, ja im Extremfall komplett z.B. durch Hagel, oder Frost bzw. in kalten Nächte unter Null, im Mai, wenn schon die ersten zarten Blättchen an den Trieben sind . Oder es gibt eben Probleme, wie im vergangenen August, wo in 2 Wochen, über 100 Liter Regen auf einen Quadratmeter fielen. Die Rebe war eigentlich über den überreichen Segen glücklich, hat dann aber so viel Wasser aufgenommen, das bei einigen, dafür anfälligen Sorten, wie Riesling, oder die Burgundersorten, die bereits weich gewordenen, aber noch unreifen Beeren, aufplatzen.
Es sind nicht die paar Beeren, die in der engen Mitte der Traube aufplatzen, die uns dann einen Mengenverlust bescherten , sondern die Mikroorganismen, die dann im herauslaufenden Saft, tätig werden und dadurch z.B. Fäulnis entstehen lassen. Der Regen, auch wenn es viel war, war kein Extremwetterphänomen. Das war einfach mal viel mehr Regen im Sommer, als im Durchschnitt, in einer begrenzten Zeiteinheit, aber ohne Überschwemmungen oder ähnlichem. Der Wald hat sich sehr darüber gefreut und auch der ein, oder andere, Gemüsebauer, oder die Apfelbauern. Nur für den Weinanbau, war das nicht gut. Ich bin aber der Meinung, man sollte da, auch wenn es für einen selbst negativ zu sehen ist, nicht nur sich selbst sehen.
Man muss das große , Ganze, sehen. Zum Beispiel den Wald, der durchaus zu nochmal 100 Liter Regen pro Quadratmeter nicht „Nein“ gesagt hätte. So ein Jahrgang verlangt dann viel mehr Arbeit, z.B. durch das Herausschneiden der befallenen Trauben, was wiederum mit deutlich, höheren Produktionskosten verbunden ist. Da hat niemand „Bock“ drauf, aber wie gesagt das ist eben Landwirtschaft. Da gehört das Produktionsrisiko schon immer dazu, denn das Wetter, gibt keine Garantieerklärung ab, aber das war schon immer so.
Wer Landwirt*in ist weiß das, akzeptiert es und lebt damit. Helmut Kohl, der ehemalige Kanzler aus der Pfalz, sagte immer : „Es ist entscheidend, was hinten bei raus kommt“. Und genau darum geht es. Das ist die Seele eines jeden, authentischen, Handwerks und schon überhaut eines solch alten und traditionellen, wie das des Weinbaus. Nämlich das da nichts genormt ist, jeder Jahrgang seine eigene, individuelle Zuwendung braucht, man sich immer wieder neu, kreativ und mit Liebe und Zuversicht an einen, neuen , Jahrgang macht, damit eben „was Gescheites dabei herauskommt“. Und was das genau ist, das bestimmen die Weinfreunde – und Weinfreundinnen, wenn sie jeder für sich, je nach eigener Vorliebe sagen : „Der schmeckt mir !“
Wie warst Du letztendlich mit der Qualität und Quantität beim Weingut Hammel zufrieden?
Christoph: Jetzt werde ich mal zum Erstaunen aller die mich kennen und wissen, daß ich gerne mal weiter aushole, ganz kurz und bündig, aber auf den Punkt , antworten: „ JA !“ und ergänze : “Sehr!“
Inzwischen rückt bei Euch im Weingut die nächste Generation nach. Wie klappt die Zusammenarbeit mit Markus und wie stolz bist Du darauf, dass das Weingut somit in Familienbesitz bleibt?
Christoph: Ein 6er im Lotto! Denn eins weiß ich. Ein Familienbetrieb, gerade einer wie wir, über 300 Jahre und 10 Generationen in der Familie, völlig unabhängig vom Geschäft, ob Landwirtschaft, Handel, oder Handwerk und Dienstleistung, ist dann unschlagbar, wenn man sich einig ist. Auch schwerste See, ob rein ökonomisch, z.B. in einer schlimmen Rezession, oder durch Kriege etc. kann überlebt werden, ja wird überlebt, wenn alle an einem Strang ziehen.
Wenn man sich selbst und seine Wünsche nicht in den Mittelpunkt stellt, sondern das „Wohl & Weh“ aller im Betrieb tätigen und Verantwortlichen bzw. das Unternehmen selbst. Mit diesem Bewusstsein, wächst man im Idealfall bereits im Familienbetrieb auf. Trägst Du das Unternehmen mit all den Menschen darin, wird es auch Dich tragen, nutzt Du den Familienbetrieb egoistisch, einseitig aus, wirst Du ihn schwächen und damit, am Ende vom Tag, Dich selbst. „Stolz“ direkt, ersetze ich lieber durch „Dankbarkeit“, daß wir es offensichtlich auch in der 10ten Generation schaffen, Vernunft zu wahren und gemeinsam den Betrieb als unser aller Werk und Glück zu sehen und auch aktiv so zu leben. Einfach gesagt : „Es läuft mit uns einfach sehr geil, mit allen!“
Der Anspruch von Markus ist ja das Weingut in die Zukunft zu führen und sein Leitsatz lautet: Da geht noch was! Gibt es da schon konkrete Ansätze was noch gehen kann oder wird?
Christoph: Da musst Du Ihn fragen und seine zwei Freunde, auch beide studierte Oenologen, Winzer und Kellermeister, die mit ihm zusammen auf der Weinbauuni den Abschluss erfolgreich absolvierten und die wir im Weingut eingestellt haben. Somit sind jetzt drei junge Menschen, unter 30, im Weingut tätig, die eine top professionelle Weinbauausbildung haben und dem Weingut fürderhin, den Stempel aufdrücken. Nichts ist beständiger, als der Wandel!
Gerade für traditionelle Betriebe, gilt diese Weisheit, im besonderen. Es ist dann, klugerweise, an den Alten, die Fackel weiterzureichen und nicht die Asche. Das heißt im besten Falle, wenn man Vertrauen in die Richtigkeit der Entscheidungen der Nachfolger und Nachfolgerinnen hat, wenn man dahinter steht, „machen lassen!“. Ich bin jetzt 60. Ich werde keine Weine für 25, oder 30igjährige machen, auch nicht wollen. Das ist unauthentisch, ich hör ja nicht mal Hip Hop, obwohl ich FANTA4 liebe, oder Rap. Ich komme noch aus der Beatlesfraktion als Kind, über Clapton, Deep Purple und AC/DC, zu Prince usw . Ich möchte nicht mit der Brechstange etwas machen, was ich nicht bin, nur weil der Markt das so verlangt.
Die Jungen leben das gleiche Feuer, aber da liegt unter anderem heute auch mal was anders auf dem Grill. Wichtig ist mein Vertrauen und meine Überzeugung in die hohen Fähigkeiten der neuen Generation hier und deren Willen etwas daraus zu machen. Das spornt mich an, mitzumachen und zwar so, daß mein Einsatz sinnvoll ist und nicht bremst. BTW : Noch ein kleiner Epilog.
Der Pfälzer und die Pfälzerin sagen sehr oft, „da geht noch was“. Denn wir mögen keine leeren Gläser und leere Teller. Uns auch wenn man vielleicht sagen könnte, „ach komm , es ist schon spät, gehen wir heim“, wenn der Wirt, oder die Wirtin sagt, einer geht noch, na dann geht natürlich immer noch was, aber so was von!
Wie lange wirst Du noch ungefähr Dein „Unwesen“ im Weingut treiben?
Christoph: OK – Knappe Antwort 2.0 : „Noch 10 Jahre“….bzw. so lange man mich will und ich was positives beitragen kann. Aber Entscheidungen in der Weinbereitung, oder im Weinberg, fachlicher Natur, treffe ich keine mehr. Ich arbeite im Keller, zb im Herbst, dort wo ich von der neuen Brückencrew hingestellt werde und bin weiter Botschafter des Weingutes und der Familie.
Ich gebe Ratschläge, wenn diese gewünscht sind, sage meine Meinung, dränge sie aber nicht auf. Ich werde weiter meine Kreativität und Phantasie in die Weine und deren Outfit stecken, wenn man mich lässt und vor allem, wenn es dem Weingut gut tut. Man lässt mir ja noch ein..zwei Nischen im Keller, den ein, oder anderen Rosé, die ein, oder andere Cuvée, weil man weiß ich hänge dran, oder weil man auch weiß, das der „alte Spinner“ doch immer wieder für eine Überraschung gut und was „aus der Hüfte schießt“, was vielen Spaß machen könnte.
So viel sei hier z.B. verraten, im kommenden Herbst werde ich mein „Alterswerk“ machen, einen Wein, den ich schon immer so machen wollte, der 110% typisch für mich ist. Da bekomme ich freie Hand und das junge Team hilft mir dabei und das gerne. Es wird natürlich kein „Spitzenriesling“, oder ein „intellektueller Pinot“, weil derlei noch nie meins war. Ich freu mich schon wie Bolle!
Was sind Deine Pläne für die Zukunft, zurücklehnen und in den Tag leben kann ich mir bei Dir absolut nicht vorstellen.
Christoph : Aber ich! Leider muss ich aber noch ein bisserl “Robotten“, also arbeiten, weil meine Rente als Landwirt mit meinem Hunger und Durst, nicht korreliert. Will sagen, 10 Jahre, wie gesagt, werden es noch als Botschafter und „Mädchen für alles“. Aber nicht mehr physisch so knallhart wie die letzten knapp 40 Jahre, wo es in meiner Anfangszeit normal war, 6 Tage Woche und 60 Wochenstunden für „das Lob des Herrn“, Bacchus, auf der Straße zu sein.
Ich muss aber dazu sagen, das auch einiges, was Arbeit ist, keine für mich ist, oder war, sondern Vergnügen und hohe Befriedigung Ich mag Menschen! Menschen sind im besten Falle interessant und positiv unterhaltsam, man lernt und staunt. Durch meinen Beruf, der eben viel mehr ist als „Weinmachen“ und Traktor fahren, oder Schläuche durch den Keller ziehen, obwohl das grundlegend dazu gehört, habe ich unfassbar tolle Menschen kennengelernt und das auf der ganzen Welt. Ich habe in jungen Jahren in Wien studiert, lange in Südafrika als Winemaker gearbeitet, war live dabei als Nelson Mandela aus dem Gefängnis kam, habe die Euphorie live erlebt. 1990, in dem Jahr in dem Deutschland wiedervereinigt wurde und wir mit Franz Beckenbauer als Trainer Welltmeister wurden.
Das Endspiel habe ich mit Afrikanern aller Hautfarben, live in Stellenbosch, bei Kapstadt gesehen. Ich habe Wein in Neuseeland gemacht und auf Mallorca. Ich habe in den USA tolle Kollegen und Kolleginnen kennen und als Menschen schätzen gelernt und in ganz Europa. Ich war und bin bis heute, mit Wein auf Vernissagen und Filmfestivals, wie z.B. der Berlinale, wo der langjährige Festivalleiter Dieter Kosslik, mit meinem Wein verabschiedet wurde. Ich habe große Freude an Spendenaktionen, die mich bewegen und die ich mit Wein finanziere, auch unter Zusammenarbeit mit Kollegen, die ich sehr schätze.
Es geht immer weiter, der Motor läuft, ich fahre gerne mit meiner Moto Guzzi, Freunde besuchen, ob Fußball, die Oper unter den Linden, das Kino, das Festival, es gibt so viel was mich begeistert und irgendwie ist immer eine Flasche Wein dabei. Also, langweilig wird mir nie werden! Ach so, auch wichtig , ich habe ja auch noch eine Frau, eine tolle dazu und ich genieße es sehr, das wir vielleicht jetzt zusammen, die ein; oder andere Sache mehr gemeinsam erleben können, als früher .
Vielen Dank für Deine Zeit mein lieber Christoph, bleib wie Du bist und uns noch lange erhalten.