Der Württemberger Winzer Christian Hirsch im Interview

Der Württemberger Winzer Christian Hirsch im Interview

Heute bei uns im Winzerinterview Christian Hirsch aus Leingarten. Christian Hirsch sorgt seit etwas mehr als 10 Jahren in Leingarten für Furore. Er ist für uns aktuell eine der heißesten Aktien im württembergischen Weinbau und dazu noch ein richtig guter Typ.

Lieber Christian, Du bist ja in eine Weinbaufamilie hineingeboren worden. War es schon immer Dein Ziel in den Familienbetrieb einzusteigen, bzw. Winzer zu werden? Oder gab es andere Träume?

Als Kind sah ich mal eine Gehaltstabelle mit Zahnarzt als Topverdiener. Jedoch war dieser Gedanke recht schnelllebig, da der Spaßfaktor im Vergleich zur Weinbranche limitiert ist. Mit Beginn meiner Ausbildung hat mich das Weinvirus dann vollends gepackt. Seitdem Scheuklappen auf und nach vorne: Lebe deinen Traum.

Während Deiner Ausbildung zum Winzer hast Du in Kalifornien studiert und gearbeitet und bist 2013 in den Familienbetrieb zurück gekommen. Da bei Euch im Betrieb eher die klassischen Württemberger-Weine produziert wurden, war es sicherlich schwer Deine Erfahrungen aus Kalifornien in den Betrieb einzubringen. Wie lange musstest Du Überzeugungsarbeit leisten und hattest Du freie Hand Deine Ideen umzusetzen?

Richtig, bei meinen Wanderjahren in Kalifornien - Sonoma & Napa Valley plus das Jahr am Robert Mondavi Institut der UC Davis - habe ich mir den Gaumen schon ordentlich "verzogen".

Schwarzriesling hellrot, lieblich, Literflasche war so ziemlich das Gegenteil meiner Idealvorstellung eines guten Rotweins. Glücklicherweise durfte ich schon vor meinem Studium mit den drei Weinen der "Edition Junior" in voller Verantwortung daheim die ersten Weine bereiten.

Meinem Vater hat es gefallen, so bekam ich durch ihn die Chance im Mai 2013 mich mit der eigenen Linie und dem Slogan HIRSCH IST WILD innerhalb der damaligen Privatkellerei Artur Hirsch zu verwirklichen. Ein Invest mit Folgen: Mittlerweile macht diese Kollektion über 80% meines Familienbetriebs aus.

Deine Weine selbst beschreibst Du als Weine von internationalem Format, die stets regional verwurzelt sind. Was kann man sich darunter genau vorstellen?

Ja, das Wording "Internationaler Touch, dabei stets heimatverliebt mit schwäbischem Herz" beschreibt nicht nur den Weinstil sondern ist auch Abbild meines Werdegangs. Stilistisch bin ich ein Fan reifer, kräftiger Rotweine von Intensität und Präzision, dennoch mit Trinkfluss. Auch bei den Weißweinen liebe ich reichhaltigen Ausdruck, wobei Fruchtfrische und seidiger Extrakt plus Schmelz je nach Qualitätsrange in engem Dialog stehen.

Ich kenne Deine Weine ja schon viele Jahre, die zahlreichen Auszeichnungen und Listungen bei der Lufthansa, Deutschen Bahn und im VIP-Bereich bei Spielen der Fußballnationalmannschaft sind für mich nur die logische Konsequenz Deiner Arbeit. Aber wie hart war es zu Beginn die Weine zu vermarkten?

Anspruchsvoll aber positiv dynamisch: Zu Beginn wirst du oft recht schnell in die herkömmliche Württemberger Klischee Schublade gesteckt. Mit der nötigen Beharrlichkeit beim "Klinken putzen" und stringenter Konsequenz in der Weinbereitung merkten die Kunden dann, dass hier etwas ganz anderes im Glas ist - bei völlig neuer Story. In der Tat finde ich heute noch großen Gefallen daran, mit welch geringer Erwartungshaltung und dann final doch Augen herausfallender Überraschung unsere Weine sensorisch wirken. Die angesprochenen Deals haben sicher geholfen die Marke HIRSCH IST WILD abseits der Stereotype in ein attraktives Licht zu rücken.

Deine Linie Rot und Wild und auch die Linie CH sind ja jahrgangslose Cuvées. Wieso hast Du diesen Weg gewählt und wie haben die Kunden am Anfang darauf reagiert?

Sowohl sensorisch als auch unternehmerisch war dies eine der besten Entscheidungen der letzten 10 Jahre. Natürlich ist die Überlagerung und Reifung von 2 - 3 Jahrgängen ein hoher kapitaler Invest. Wenn du jedoch bei der Cuvéetierung aus allen geschmacklichen Lägern komponieren kannst, macht das schon wahnsinnig Spaß. Von den 32 Weinen aus der HIRSCH IST WILD Kollektion sind 7 Cuvées, die aus mehreren Jahrgängen bereitet werden. Wiederum 3 davon bilden eben auch die TOP-3 der Kundenlieblinge über alle Weine hinweg, das spricht für sich. Wohlgemerkt: Über 95% aller Champagner sind ebenfalls Jahrgangscuvées. Bei Privatkunden war die Akzeptanz direkt da, weil eben die sensorischen Vorteile bei gleichem Preis massiv überwiegen. Auf der anderen Seite waren zu Beginn die Gatekeeper, also Wein Wiederverkäufer wie du einer bist, eher vorsichtig - final dann voll auf unserer Linie. Ich warte bis heute noch auf einen deutschen Rotwein mit besserem Preis/Genuss unter 15,- €. Nicht umsonst ist der CH ROT Cuvée Hirsch Großes Geweih mein wichtigster Wein. Dass dies auch meine Initialen sind, ist natürlich purer Zufall…

Inzwischen hast Du den Betrieb ja von Deinen Eltern übernommen, was wird sich in absehbarer Zukunft ändern? Verschmelzen die Produktlinien?

In absehbarer Zukunft ändert sich bei uns ständig was. Im Ernst, bei meinem Eintritt in die Firma war meine Linie die Submarke. Aus Respekt vor unseren langjährigen Bestandskunden werden seit der kompletten Übergabe im Juli 2023 die relevantesten Weine meines Vaters in der "Edition Privatkellerei" als Tochtermarke weitergeführt. Da sich die beiden Stile grundlegend im sensorischen Profil unterscheiden, laufen die Linien parallel nebeneinander.

Du bist jemand dem Nachhaltigkeit am Herzen liegt und hast in diesem Jahr ein neues Projekt auf den Markt gebracht. Deine beiden Grapes of Glory Weine nennst Du selbst: "Trockene Pionierweine aus glorreichen, von Natur aus robusten Trauben". Was hat es hiermit auf sich?

Wir pflanzen seit über sieben Jahren diese neuen robusten Rebsorten. Zunächst aus reiner Winzerüberzeugung mit gelebter Nachhaltigkeit voll im Puls der Zeit. Im Keller haben wir viel experimentiert und wertvolle Erfahrung gesammelt. Nun lassen wir sie frei…

PiWi übersetze ich übrigens als Pioneer Wine = Pionierwein.

Sind Piwis die Zukunft in Zeiten des Klimawandels oder nur eine Modeerscheinung?

 Sie sind sicher ein wichtiger Teil der breiten Winzerantwort auf den Klimawandel.

Hierbei handelt es sich zunächst um keinen marktgetriebenen Hype, sondern vielmehr um eine Welle überzeugter Winzer das von Innen heraus Richtige zu tun. Wir selbst haben mit dem Jahr 2024 über 10% unserer Gesamtrebfläche damit gepflanzt.

Zuallererst: Diese neuen Weine schmecken richtig lecker. Es gibt natürlich sensorische Exoten, aber auch Rebsorten wie z.B. der Souvignier Gris, der einem Grauburgunder oder der Cabernet Blanc der einem Sauvignon Blanc ähnelt.

Die REBVOLUTION setzt sich dann über die weinbaulichen Vorteile fort:

+ Bis zu 80% Einsparung von Pflanzenschutz und damit Traktorüberfahrten, das Bodenleben freut sich.

+ Unempfindlicher gegen Sonnenbrand.

+ Natürlich gemäßigte Erträge.

Überspitzt formuliert: Du kannst sie während der intensiven Erntezeit auch mal eine Woche "vergessen", sie warten dennoch geduldig und kerngesund im Weinberg auf dich.

Spannende Details zu den robusten Rebsorten bei der aufstrebenden Bewegung: https://www.zukunftsweine.de/

…der wir uns kürzlich auch angeschlossen haben.

Welche neuen Projekte erwarten uns in der nahen Zukunft? Kannst Du schon was verraten oder ist noch alles unter Verschluss?

Wenn ich jetzt sage, dass wir mit neuen Weinen und Projekten durch sind, nimmt mir das mein Team nicht mehr ab. Dafür sprudeln meine Weinideen noch zu stark. Eins sei jedoch verraten: Der nächste große Schritt wird baulicher Natur sein. Egal in welche Richtung…

 

Christian, vielen Dank für Deine Zeit und Deine Antworten.

Jochen Mössner

Weinexperte / Einkaufsleiter