Wie kommt der Korkschmecker in den Wein?
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Jochen Mössner
- MAGAZIN
- 21.01.2025

Wie kommt der Korkschmecker in den Wein? Eine Spurensuche von der Eiche bis in die Flasche
Der "Korkschmecker" ist für viele Weinliebhaber ein ärgerliches Phänomen, das den Genuss einer guten Flasche Wein zunichtemachen kann. Doch wie kommt dieser muffige, an nasses Papier oder modrige Keller erinnernde Geruch in den Wein? Die Antwort liegt in einer komplexen Kette von möglichen Kontaminationsquellen – von der Korkeiche bis zum Weinkeller.
Der Ursprung: Die Korkeiche
Kork wird aus der Rinde der Korkeiche (Quercus suber) gewonnen, die vor allem in Portugal und Spanien wächst. Die Bäume werden alle neun bis zehn Jahre geschält, um die Rinde zu ernten. Während dieses Prozesses können natürliche Verunreinigungen wie Schimmelpilze oder Mikroorganismen in den Kork eindringen. Diese Organismen können chemische Verbindungen wie Trichloranisol (TCA) produzieren, den Hauptverursacher des Korkschmeckers.
Die Verarbeitung des Korks
Nach der Ernte wird die Korkrinde getrocknet, gekocht und weiterverarbeitet. Dabei können Verunreinigungen durch unsaubere Wasserquellen oder feuchte Lagerbedingungen auftreten. Chlorverbindungen, die etwa in Desinfektionsmitteln oder der Wasseraufbereitung verwendet werden, können mit natürlichen Phenolen im Kork reagieren und TCA bilden.
Wie TCA in den Wein gelangt
Der fertige Korken wird in direkten Kontakt mit dem Wein gebracht. Ist der Kork mit TCA belastet, gelangt die Verbindung in den Wein und beeinflusst dessen Aromatik, selbst bei minimalen Konzentrationen. Bereits wenige Stunden nach Abfüllung und verschliessen der Flasche kann das TCA in den Wein übergehen. TCA hat einen extrem niedrigen Geruchsschwellenwert. Bereits bei Konzentrationen von 1–3 Nanogramm pro Liter wird TCA in Weißweinen kann das TCA wahrgenommen werden. In Rotweinen liegt die Wahrnehmbarkeitsschwelle etwas höher, bei etwa 5 Nanogramm pro Liter.
Neben TCA können auch andere chemische Verbindungen für den sogenannten Korkton verantwortlich sein, etwa 1-Octen-3-ol oder Bromphenole, die ebenfalls Fehlgerüche verursachen können, welche nur schwer von TCA zu unterscheiden sind.
Kontaminationsrisiken bei alternativen Verschlüssen
Auch bei anderen Verschlüssen wie Schraubverschlüssen oder Glasstopfen kann eine Kontamination auftreten, jedoch meist durch andere Ursachen:
- Schraubverschlüsse: Hier können TCA-Rückstände auf Dichtungen oder bei der Herstellung verwendeten Materialien entstehen.
- Glasstopfen: In seltenen Fällen können Dichtungsringe oder unsaubere Abfüllanlagen für Verunreinigungen sorgen.
Der Weinkeller als Risikofaktor
Nicht nur der Verschluss, sondern auch die Umgebung im Weinkeller kann eine Rolle spielen. Feuchte, schlecht belüftete Keller fördern das Wachstum von Schimmelpilzen. Werden diese durch Reinigungsmittel oder Desinfektionsmittel mit Chlor in Kontakt gebracht, kann auch hier TCA entstehen, das auf Werkzeuge, Tanks oder Flaschen übergeht.
Maßnahmen zur Vermeidung von Korkschmecker
Die Weinindustrie hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht, um das Risiko von TCA zu minimieren:
- Korkhersteller nutzen modernste Verfahren wie Dampfdestillation oder CO₂-Extraktion, um Korken von TCA zu befreien.
- Alternative Verschlüsse wie Schraubverschlüsse oder synthetische Korken bieten eine sichere Lösung, wenn auch mit anderen Vor- und Nachteilen.
- Hygienemanagement im Keller: Strikte Reinigungsvorgaben und der Verzicht auf chlorhaltige Reinigungsmittel reduzieren die Gefahr von Kontaminationen.
Fazit
Der Korkschmecker ist ein multifaktorielles Problem, das sowohl auf natürliche Gegebenheiten als auch auf menschliche Prozesse zurückzuführen ist. Obwohl der klassische Korken nach wie vor häufig verwendet wird, sorgen alternative Verschlüsse und moderne Verfahren dafür, dass das Risiko für TCA-bedingte Fehlaromen immer weiter sinkt. Dennoch bleibt der Korkschmecker ein Beispiel dafür, wie sensibel Wein auf seine Umwelt und Behandlung reagiert – von der Korkeiche bis zur Flasche.