Schaumweine aus England - oder Großbritannien vs Champagne
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Jochen Mössner
- MAGAZIN
- 09.01.2025

Geschichte und Gegenwart des Weinbaus auf der Insel
Der Weinbau in Großbritannien blickt auf eine lange Geschichte zurück, schon die Römer haben im Süden der Provinz Britannien Weinbau
betrieben. Auch im Mittelalter fand in kleinerem Maße Weinbau in Großbritannien statt, jedoch erst seit den 1970er Jahren wieder
verstärkt. Ein entscheidender Faktor für die Renaissance des britischen Weinbaus ist zweifellos die Klimaerwärmung, die dazu führt, dass
die Trauben in den meisten Jahren ihre volle Reife erreichen können.
Klimawandel in Zahlen
Seit den 1990er Jahren ist die Jahresdurchschnittstemperatur in Großbritannien spürbar angestiegen. Dieser Anstieg spiegelt einen
allgemeinen Trend in Europa wider, wo die Temperaturen im Zeitraum von 1991 bis 2020 um etwa 0,5 °C pro Jahrzehnt gestiegen sind.
Prognosen sagen für England bis 2050 Temperaturen voraus, die aktuell mit denen von Barcelona vergleichbar sind. Im Sommer 2022 sind in
Großbritannien z.B. erstmals Temperaturen von über 40 °C gemessen worden.
Rebfläche und Rebsorten
Die Rebfläche wächst sehr dynamisch und umfasst aktuell rund 4.500 Hektar, welche sich hauptsächlich im südlichen Teil
Großbritanniens befinden. Die wichtigsten Weinbauregionen sind Sussex, Kent und Hampshire. Dazu gesellen sich noch Dorset, Yorkshire,
Cornwall und Wales.
Rund 2 Drittel der in England und Wales geernteten Trauben werden zu Schaumweinen verarbeitet, die hauptsächlich nach der traditionellen
Methode hergestellt werden, ähnlich wie in der Champagne. Die Rebsorten Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier wiederum belegen knapp 2
Drittel der Rebfläche.
Britische Schaumweine im Vergleich zur Champagne: Wie Klima, Boden und Geografie den Erfolg prägen
1. Breiten- und Längengrade
- Champagne: Liegt auf einem Breitengrad von etwa 49°N in Nordfrankreich.
- Großbritannien: Die Hauptanbaugebiete wie Sussex, Kent und Hampshire befinden sich auf einem Breitengrad von etwa 50–52°N.
- Vergleich: Die Weinbaugebiete in Großbritannien liegen leicht nördlicher, was den Einfluss von Klimaerwärmung und Mikroklima stärker spürbar macht.
2. Klima
- Champagne: Hat ein kühles, semi-kontinentales Klima mit kalten Wintern und relativ warmen Sommern. Die Niederschlagsmenge ist gleichmäßig über das Jahr verteilt, was für eine stabile Vegetationsperiode sorgt.
- Großbritannien: Weist ein gemäßigtes maritimes Klima auf, das stark von der Nähe zum Atlantik beeinflusst wird. Die Sommer sind mild, und der Regen fällt häufig während der Wachstumsperiode.
- Vergleich: Großbritannien profitiert von der Klimaerwärmung, die die Reifung der Trauben verbessert. Dennoch bleibt das Risiko von Frühjahrsfrösten und feuchten Bedingungen höher als in der Champagne.
3. Boden
- Champagne: Die Region ist bekannt für ihre kalkhaltigen Böden, insbesondere Kreide. Diese Böden speichern Wasser und reflektieren Licht, was das Mikroklima für die Reben optimiert.
- Großbritannien: Die südlichen Weinbaugebiete wie Sussex und Kent teilen die gleiche geologische Formation wie die Champagne, nämlich Kreideuntergrund, insbesondere entlang des South Downs. Diese Ähnlichkeit bietet ideale Bedingungen für den Schaumweinanbau.
- Vergleich: Die Böden in beiden Regionen sind sehr ähnlich, insbesondere in Bezug auf den Kreideanteil, was zur Qualität der Schaumweine beiträgt.
4. Länge der Vegetationsperiode
- Champagne: Aufgrund der etwas südlicheren Lage ist die Vegetationsperiode länger, was eine etwas gleichmäßigere Reife ermöglicht.
- Großbritannien: Die Vegetationsperiode ist kürzer und witterungsabhängiger, aber milde Sommer und wärmere Jahre haben in den letzten Jahrzehnten zu besseren Bedingungen geführt.
- Vergleich: Die Vegetationsperiode in Großbritannien ist oft variabler, aber durch wärmere Jahre inzwischen vergleichbar mit der Champagne.
British Fizz vs Champagner
In den letzten Jahren hat sich die britische Schaumweinproduktion erheblich weiterentwickelt, sodass sie mittlerweile in der Lage ist, mit hochwertigem Champagner mitzuhalten. Dank moderner Anbaumethoden, einer sorgfältigen Traubenauswahl und vor allem dem positiven Einfluss der Klimaerwärmung haben britische Winzer die Qualität ihrer Weine auf ein neues Niveau gehoben. Insbesondere in den Regionen Sussex, Kent und Hampshire, die auf Kreideböden wachsen, ähnlich denen der Champagne, entstehen Weine, die mit ihrer Finesse, Frische und Komplexität den französischen Vorbildern Konkurrenz machen.
Die traditionellen Rebsorten wie Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier, die auch in der Champagne dominieren, gedeihen in Großbritannien hervorragend. Die Verwendung der klassischen Flaschengärung und die lange Hefelagerung verleihen den britischen Schaumweinen eine bemerkenswerte Tiefe und Eleganz, die sich mit den besten Champagnern messen kann.
Obwohl die britische Schaumweinproduktion noch jung ist, haben zahlreiche Weingüter bereits internationale Auszeichnungen und Anerkennung erhalten. Der zunehmende Erfolg der britischen Weine zeigt, dass sich das Land als ernstzunehmender Akteur im weltweiten Schaumweinmarkt etabliert hat. Heute können sich Schaumweine aus Großbritannien in ihrer Qualität durchaus mit den renommiertesten Champagnerhäusern messen und bieten eine spannende Alternative für Weinliebhaber auf der ganzen Welt.