Weingenuss an der Côte d’Azur - Sonne, Meer und edle Tropfen

Weingenuss an der Côte d’Azur

Die Côte d’Azur – allein der Name weckt Sehnsüchte nach Sonne, blau glitzerndem Meer und dem Savoir-vivre Südfrankreichs. Doch neben goldenen Stränden und malerischen Küstenstädtchen ist die „französische Riviera“ auch eine der traditionsreichsten Weinlandschaften des Landes. Tatsächlich gilt sie als älteste Weinbauregion Frankreichs und ist heute führend in der Produktion von Roséweinen. Hier gedeihen Reben seit der Antike unter idealen Bedingungen: über 300 Sonnentage im Jahr, trockene, heiße Sommer mit mediterranen Meeresbrisen und dem kräftigen Mistralwind, der für klare Luft und gesunde Rebstöcke sorgt. Die Böden sind vielfältig – kalkhaltig in den Hügeln, kristallin nahe der Küste – und gut drainiert, was den Weinen einen unverkennbaren Charakter verleiht. So schmecken die Tropfen der Côte d’Azur sprichwörtlich nach Urlaub und Sonnenschein: Die Rosés schimmern blassrosa im Glas, duften fruchtig und zeigen sich trocken und doch vollmundig. Rote Gewächse präsentieren sich farbintensiv und körperreich, während die wenigen Weißen mit weicher, seidiger Art verführen. Begleitet von provenzalischer Küche – frischem Fisch, Oliven, Kräutern und Gemüse der Region – entfalten diese Weine einen ganz besonderen Zauber. Kein Wunder, dass ein lokales Sprichwort sagt: „Une journée sans vin est une journée sans soleil“ – ein Tag ohne Wein ist ein Tag ohne Sonne.

Nizza – Weinberge über dem azurblauen Meer

Weinberge bei Nizza

 

Blick auf die Weinreben bei Nizza

 

Hoch über der lebhaften Metropole Nizza liegen versteckt in den Hügeln ruhige Weinparzellen, die einen spektakulären Blick auf das azurblaue Mittelmeer bieten. Hier befindet sich die winzige Appellation Bellet – ein städtischer Weinberg innerhalb der Stadtgrenzen Nizzas und einer der kleinsten geschützten Herkunftsorte Frankreichs. Bereits die Römer pflanzten am „Mont Bellet“ ihre Reben, und im 19. Jahrhundert waren die Weinberge rund um Nizza noch 1000 Hektar groß. Zwar dezimierten Reblaus und Weltkriege den Bestand drastisch auf nur noch wenige Dutzend Hektar, doch das Erbe lebt fort: 1941 erhielt Bellet den AOC-Status als offizielle Herkunftsbezeichnung. Die rare Produktion genießt bis heute hohes Ansehen – Sonnenkönig Ludwig XIV. soll den „Vin de Bellet“ bei Hofe getrunken haben, und sogar Thomas Jefferson schwärmte einst von dem „großartigen Wein von Nizza“ und ließ sich Flaschen davon nach Amerika schicken.

 

Auch die Rebsorten von Bellet sind eine Besonderheit. Die Winzer setzen auf alte, autochthone Trauben, die außerhalb Nizzas kaum zu finden sind: Rolle (in Italien Vermentino genannt) ergibt duftige Weißweine mit feinen Blüten- und Zitrusnoten, während Braquet und Folle Noire zwei urige rote Sorten sind, aus denen elegante Rot- und Roséweine gekeltert werden. Die Reben wachsen auf terrassierten Hängen in rund 200–300 m Höhe, wo sie von großzügiger Mittelmeersonne und kühlenden Alpenbrisen umspielt werden. Diese einzigartige Kombination aus maritimem und bergigem Mikroklima lässt die Trauben langsam ausreifen und sorgt für eine besondere Finesse in den Weinen. Im Glas zeigen Bellet-Weine ihren eigenen Charakter: Ein rotgoldener Bellet-Rosé duftet nach wilden Erdbeeren und Kräutern, ein rubinroter Bellet-Rotwein schmeichelt mit weichen Tanninen und Aromen von Kirschen, Gewürzen und einem Hauch Eichenholz. Passend dazu harmonieren sie hervorragend mit der herzhaften Küche Nizzas – ob Ravioli, gefülltes Gemüse (petits farcis) oder ein frischer Salade Niçoise.

 

Besucher können dieses verborgene Weingeheimnis direkt vor Ort entdecken. So lädt beispielsweise das Château de Bellet am Gipfel eines Weinbergs zur Verkostung in außergewöhnlichem Ambiente: In einer entweihten Kapelle aus dem 19. Jahrhundert, die heute als stilvoller Degustationsraum dient, schenkt man die eigenen Bio-Weine aus. Beim Probieren des goldschimmernden Rolle-Weißweins in der kühlen Kapelle – unter den Blicken jahrhundertealter Heiligenstatuen – spürt man die Geschichte förmlich auf der Zunge. Eine Etage tiefer, in der “geheimen Krypta”, wartet eine noch intimere Weinprobe in mystischer Atmosphäre. Nur wenige Schritte außerhalb erstrecken sich die sonnenverwöhnten Rebgärten, eingebettet zwischen Mittelmeer und den Südalpen. Ein Spaziergang durch die Reihen, mit dem Duft von Pinien und wildem Thymian in der Luft, lässt erahnen, warum diese Weine so einzigartig schmecken. Auch andere Weingüter wie das Domaine de Toasc oder Clos Saint-Vincent empfangen Weinliebhaber nach Anmeldung gern und gewähren Einblicke in die Kellerei. Bellet ist eben ein Kleinod für Genießer, das abseits vom Trubel der Promenade des Anglais einen unverfälschten Eindruck provenzalischer Weinkultur vermittelt.

Cannes – Edle Tropfen von der Klosterinsel

Cannes Weinbau Südfrankreich

Blick auf die Weinreben der Île Saint-Honorat vor Cannes

 

Glamouröse Filmfestspiele, Luxusyachten, Champagner – dafür ist Cannes weltbekannt. Doch nur wenige Seemeilen vom Trubel der Croisette entfernt liegt eine Oase der Stille, wo seit dem Mittelalter Mönche Wein kultivieren. Die Île Saint-Honorat im Archipel der Lérins, per Fähre in 15 Minuten von Cannes erreichbar, beherbergt ein altes Zisterzienserkloster und rund 8 Hektar Weinberge, die von den Mönchen der Abtei Lérins bewirtschaftet werden. Inmitten von Pinien, Zypressen und den Ruinen einer alten Festung wachsen hier Reben auf sandigen Böden, umgeben vom glitzernden Meer – ein wahrhaft himmlischer Weinberg. Die Mönche pflegen ihre Rebstöcke in Handarbeit und nach méthodes ancestrales, also auf traditionelle, naturverbundene Weise. Jeder Schritt erfolgt auf der Insel selbst: Von der manuellen Lese über die behutsame Vinifikation und Reifung bis hin zur Abfüllung – alles geschieht innerhalb der Klostermauern unter den wachsamen Augen der Ordensbrüder.

 

Die Weine der Abtei Lérins sind ebenso außergewöhnlich wie ihr Entstehungsort. Sie werden sortenrein aus hochwertigen Rebsorten gekeltert, die man hier vielleicht nicht erwartet. So kultivieren die Inselmönche für ihre Weißweine ChardonnayClairette und Viognier, während in ihren Rotweinen SyrahMourvèdre und sogar Pinot Noir zum Einsatz kommen. Die edlen Cuvées tragen klangvolle Namen von Heiligen: Ein mineralischer Chardonnay heißt Saint Césaire, der duftige Viognier Saint Cyprien, und die kraftvollen Rotweine aus Syrah reifen als Cuvée Saint Honorat und Saint Sauveur im Eichenfass. Jeder Wein spiegelt dabei das Terroir der Insel wider – die salzige Meeresluft und der Duft der mediterranen Macchia mit ihren Wildkräutern verleihen den Tropfen eine ganz besondere Aromatik. So meint man im satten Bukett des Syrah rote Beeren, Pfeffer und eine Spur Rosmarin zu erschnuppern, während der goldgelbe Clairette mit Noten von weißen Blüten, Honig und einer Meeresbrise betört. Keine Überraschung, dass diese Klosterweine längst auch den Weg in die Sternegastronomie gefunden haben – zahlreiche Spitzenrestaurants an der Côte d’Azur führen die rareren Lérins-Jahrgänge auf der Karte.

 

Ein Ausflug auf die Île Saint-Honorat ist für Weinliebhaber ein unvergessliches Erlebnis. Nach der Überfahrt, wenn das Boot am Klostersteg anlegt, empfängt einen eine fast mystische Ruhe: Zikaden zirpen, die Seeluft riecht nach Pinienharz, und über den Rebzeilen ragt der mittelalterliche Wehrturm der Abtei auf. Im kleinen Klosterladen kann man die Weine und auch die von den Brüdern destillierten Kräuterliköre (wie den berühmten Lérina) probieren und kaufen. Manch ein Besucher kombiniert die Weinverkostung mit einer Einkehr im La Tonnelle, dem gemütlichen Insel-Restaurant unter Eukalyptusbäumen, wo einfache provenzalische Gerichte serviert werden – natürlich mit passendem Inselwein im Glas. Zur vollen Stunde tönt das Glockengeläut der Abtei herüber und erinnert daran, dass hier der Glaube seit Jahrhunderten mit dem Weinbau im Einklang steht. Diese einzigartige Symbiose von Spiritualität und Weingenuss spürt man mit jedem Schluck. Wer mag, nimmt zum Abschied noch eine letzte Flasche Saint Lambert (ein 100%iger Mourvèdretwil.fr) mit – als flüssige Erinnerung an ein kleines Weinparadies vor der Küste von Cannes.

 

Auch auf dem Festland rund um Cannes lassen sich Weinperlen finden. Nur wenige Kilometer westlich, am Fuße des roten Esterel-Gebirges bei Mandelieu-La Napoule, liegt das Domaine de Barbossi – ein Boutique-Weingut mit gerade einmal 4 Hektar Rebfläche. Die Reben hier wachsen auf seltenem rötlichem Vulkangestein (Rhyolith) inmitten von Pinienwäldern und mediterraner Macchia. Angebaut werden regionale Sorten wie Cinsault, Syrah für Rosé und Rot sowie Rolle und Clairette für Weißweine. Besucher sind nach Voranmeldung willkommen, um die feinen IGP-Weine zu verkosten – etwa den duftigen Weißwein Volcanique (eine Cuvée aus Rolle und Clairette) oder den charaktervollen Roten Mando aus Grenache. Während man im Glas Noten von Garrigue-Kräutern, Zitrus oder roten Beeren entdeckt, blickt man von der Probierstube aus ins Grüne – auf Weinberge, Golfplatz und die Ausläufer des Esterel. Zwischen Cannes und Fréjus finden sich zudem mehrere aufstrebende Domainen, die ganz auf Weintourismus setzen. So bietet z.B. das Weingut Clos des Roses bei Fréjus Führungen durch Keller und Weinberge an und verfügt sogar über ein eigenes Landhaus-Hotel und ein feines Restaurant, in dem man die Weine gleich zum provenzalischen Menü genießen kann. Die Gegend um Cannes hält also auch für Weinliebhaber so manche Überraschung bereit – von der Klosterinsel bis zum Design-Weingut am Esterel – und lädt dazu ein, die Côte d’Azur von ihrer genussvollen, traditionellen Seite kennenzulernen.

Saint-Tropez – Glamour und Rosé zwischen Reben und Strand

Saint Tropez Weingut
Malerisches Weingut in Saint-Tropez: Zwischen Pinien und Zypressen reifen die Trauben unweit der Strände zu feinen Côtes-de-Provence-Weinen.

 

Saint-Tropez – schon der Name beschwört Bilder von glitzernden Yachten, Prominenten in Strandclubs und sommerlicher Leichtigkeit herauf. Doch das Jetset-Städtchen am Golf von Saint-Tropez hat auch eine andere, genussvolle Seite: Gleich hinter den Stränden erstrecken sich sanfte Hügel und Täler voller Weinreben. Die Halbinsel von Saint-Tropez gehört zum großen Anbaugebiet Côtes de Provence, und tatsächlich ist die Provence ohne ihre Roséweine heute undenkbar. Fast 45 % aller französischen Rosés kommen aus dieser sonnenverwöhnten Region – weltweit steht damit mehr als ein Drittel aller Roséproduktion für das leichte Lebensgefühl der Côte d’Azur. Hier wird Rosé den ganzen Tag zelebriert: Vom Mittagsapéro am Strand bis zum Sonnenuntergang im Hafen von Saint-Tropez genießt man den Wein mit der zart lachsrosa Farbe. Typische Rebsorten wie GrenacheCinsault und Syrah prägen die meisten Rosé-Cuvées; oft sind auch regionale Trauben wie Tibouren dabei, die dem Wein eine feinwürzige Note verleihen. Die Rosés aus der Umgebung von Saint-Tropez sind trocken, von heller, fast transparente Farbe und duften verführerisch nach Pfirsich, Erdbeere, weißen Blüten und einem Hauch von Kräutern der Garrigue. Am Gaumen sind sie erfrischend und trotzdem erstaunlich gehaltvoll – der perfekte Begleiter zu einem Salade Niçoise, gegrillten Meeresfrüchten oder einfach als leichter Genuss auf der Terrasse, während die Sonne goldglänzend im Meer versinkt.

 

Doch auch Liebhaber von Rot- und Weißweinen kommen rund um Saint-Tropez auf ihre Kosten. Einige Winzer kultivieren auf den etwas höher gelegenen Parzellen kräftige Rotweine aus Syrah, Mourvèdre oder Cabernet Sauvignon, die in der Hitze der Provence voll ausreifen. Diese Roten reifen oft in Eichenfässern und überraschen mit Aromen dunkler Beeren, Kakao und mediterraner Würze. Weißweine machen zwar nur einen kleinen Teil der Produktion aus, glänzen aber durch Frische – meist werden sie aus Rolle (Vermentino) oder Ugni Blanc bereitet und begeistern mit Noten von Zitrusfrüchten, Akazienblüten und einer feinen Mineralität, geprägt vom sandigen Boden nahe der Küste. Was alle Weine der Saint-Tropez-Region verbindet, ist die maritime Herkunft: Viele Weinberge liegen nur wenige Kilometer vom Meer entfernt, manche reichen sogar bis an den Rand der berühmten Pampelonne-Strände heran. Die salzige Brise vom Golf trägt zur Aromabildung bei – Kenner meinen, in manchen Tropfen einen Hauch Meeresluft zu schmecken.

 

Die Verbindung von Wein und Glamour hat in Saint-Tropez eine lange Geschichte. Bereits um 1900 entdeckten wohlhabende Franzosen die Gegend als Rückzugsort und legten erste Weinberge an. So befindet sich direkt hinter dem legendären Pampelonne-Strand eines der ältesten Weingüter der Region, das seit 1907 besteht. Ein Rosé dieses Gutes trägt passenderweise den Namen „1907“ – eine Hommage an das Gründungsjahr und ein beliebter Tropfen in den Strandbars von Ramatuelle. In den letzten Jahrzehnten erlebte der Weinbau hier einen regelrechten Aufschwung: Dutzende Domaines und Châteaux – von kleinen Familienbetrieben bis zu vom Jetset frequentierten Prestigeweingütern – produzieren Weine, die weltweit Anerkennung finden. Château Minuty etwa, im malerischen Dorf Gassin oberhalb von Saint-Tropez gelegen, genießt internationalen Ruf. Das Anwesen gehört zu den 18 als Cru Classé klassifizierten Spitzenweingütern der Provence und wird seit 1936 von der Familie Matton-Farnet geführt. Mit über 80 Jahren Erfahrung – die Wurzeln der Familie in der Region reichen sogar 300 Jahre zurück – konzentriert man sich hier auf Qualität durch Begrenzung der Erträge und nachhaltigen Anbau. Minuty kultiviert vor allem drei lokale Rebsorten: Grenache, Rolle und die seltene Tibouren-Traube, die dem berühmten Rosé de Minuty seine besondere Finesse verleiht. Bei einer Führung durch die modernen Kellereien und die umliegenden Weinberge kann man sich von der Leidenschaft überzeugen, mit der hier gearbeitet wird. Unter alten Olivenbäumen steht ein eleganter Verkostungsraum bereit, in dem man die frischen Jahrgänge probieren kann – vom hellrosa, nach Grapefruit duftenden Prestige-Rosé bis zum aromatischen Weißwein Minuty Blanc, der mit Noten von Birne und Blüten überzeugt. Das Erlebnis, einen erstklassigen Provence-Rosé direkt am Ort seiner Entstehung zu kosten, während draußen die Zikaden zirpen, ist unvergesslich.

 

Auch kleinere Winzer der Region öffnen gerne ihre Türen. Ein echter Geheimtipp ist das Domaine de la Tourraque bei Ramatuelle, nur wenige Minuten von den Stränden entfernt. Dieser familiengeführte Bio-Betrieb liegt spektakulär auf einer Landzunge: Die Reben ziehen sich hier bis an die steilen Klippen einer felsigen Bucht, und an einer Stelle „berühren sie fast den weißen Sandstrand“ – so schwärmt der Winzer selbst. Die Lage könnte dramatischer kaum sein. Besucher werden mit einem Geländewagen (Safari Jeep) durch die Weinberge gefahren, während der Winzer Geschichten aus seinem Leben erzählt. Für gerade mal 30 € bekommt man eine zweieinhalbstündige Tour voller Anekdoten und Ausblicke geboten, die einem noch lange im Gedächtnis bleiben. Natürlich endet das Abenteuer mit einer gemütlichen Weinprobe unter freiem Himmel: Frei nach provenzalischer Art sitzen alle an rustikalen Holztischen zusammen, probieren den fruchtigen Rosé oder den würzigen Rotwein des Hauses und schauen dabei auf das azurblaue Meer unter ihnen. „Das schmeckt nach Sonne, Salz und Freiheit!“ möchte man ausrufen – und liegt damit gar nicht so falsch, denn die Terroir-Charakteristik dieser Küstenweine ist tatsächlich einzigartig.

 

In der Umgebung von Saint-Tropez haben viele Weingüter eine offene Pforte für Besucher. Manche, wie das Château de Pampelonne oder das Domaine des Tournels, bieten in der Saison tägliche Verkostungen an – oft spontan und unkompliziert. Andere, wie das traditionsreiche Domaine Bertaud-Belieu, veranstalten sogar glamouröse Events: Dort fanden schon Wohltätigkeits-Weinabende für die Leonardo-DiCaprio-Stiftung statt, bei denen Hollywood-Stars zwischen den Rebstöcken für den guten Zweck anstoßen. Das zeigt: In Saint-Tropez gehen Luxus und Weinkultur Hand in Hand. Gleichzeitig besinnen sich viele Betriebe auch auf nachhaltige Methoden. Pionierinnen wie Régine Sumeire vom Château Barbeyrolles setzten früh auf biologischen Anbau – ihre Familie ist seit dem 12. Jahrhundert in der Region verwurzelt. Heute grasen Schafe zwischen den Reben, um Unkraut kurz zu halten und natürlichen Dünger zu liefern, und beim Rundgang sieht man nostalgische Traktoren neben modernster Kellertechnik – ein reizvoller Kontrast. Abends kehrt in den Weinbergen ruhige Idylle ein: Die Zikaden verstummen langsam, vom nahen Dorf weht Musik herüber. Vielleicht hat man das Glück, an einem lauen Sommerabend ein Weinfest oder einen Jazz-&-Wine-Event zu erleben, wie es sie im Sommer häufiger gibt. Unter funkelnden Lichterketten sitzen dann Einheimische und Gäste zusammen, genießen Wein, provenzalische Tapenaden und Live-Musik – und zelebrieren genau das Lebensgefühl, das diese Region so besonders macht. Spätestens in diesem Moment versteht man den lokalen Ausspruch endgültig: Ein Tag ohne Wein ist ein Tag ohne Sonne.

Toulon und Bandol – Kräftige Tropfen von sonnenverwöhnten Terrassen

Toulon und Bandol

Blick vom Hügel bei Bandol: Umgeben von Weinbergen erstreckt sich das Terroir von Bandol.

 

Rund um die Hafenstadt Toulon im Département Var öffnet sich eine der renommiertesten Weinlandschaften der Provence: die Region Bandol. Etwa 20 Kilometer westlich von Toulon, zwischen den malerischen Dörfern La Cadière-d’Azur und Le Castellet, gedeihen auf sonnenbeschienenen Hängen einige der charakterstärksten Weine Frankreichs. Das Anbaugebiet Bandol, offiziell als AOC seit 1941 anerkannt, ist mit knapp 1.600 Hektar Rebfläche relativ klein – im Vergleich etwa zu Bordeaux mit über 120.000 Hektar. Doch in Sachen Qualität und Ruf spielt Bandol in der obersten Liga und lässt Weinliebhaber ins Schwärmen geraten. Die Lage könnte kaum besser sein: Die Rebhänge sind meist nach Süden ausgerichtet, terrassiert in sogenannten Restanques (Stützmauern) und profitieren von ganztägiger Sonne, die vom azurblauen Meer reflektiert wird. Gleichzeitig sorgt eine Hügellandschaft im Hinterland dafür, dass kühlere Fallwinde nachts die heißen Sommer tage ausgleichen. Die Böden aus Kalkstein und Mergel zwingen die Reben, tief zu wurzeln, und bringen geringere Erträge, dafür aber umso konzentriertere Trauben hervor. Kein Wunder, dass hier eine Traube zur Königin gekürt wurde, die Hitze und Trockenheit liebt wie kaum eine zweite: Mourvèdre.

 

Tatsächlich ist Bandol das einzige französische Weinbaugebiet, in dem Mourvèdre die dominante Rotweinsorte ist. Mindestens 50 % muss jede AOC-rotweincuvée davon enthalten, die Top-Weingüter keltern sogar 80–95 % Mourvèdre in ihren Roten – ergänzt nur von etwas Grenache oder Cinsault zur Abrundung. Mourvèdre, ursprünglich spanischer Herkunft (dort als Monastrell bekannt), fühlt sich unter der gleißenden Sonne der Provence pudelwohl: Sie bildet dickschalige, spät reifende Beeren, die die intensive Strahlung und die Hitze lieben. Das Ergebnis sind tiefdunkle, kraftvolle Weine voller südlichem Charakter. Ein junger Bandol Rouge verströmt im Glas ein opulentes Bukett: Schwarzkirsche, Schwarze Johannisbeere, wilde Schlehe springen förmlich in die Nase, untermalt vom typischen Garrigue-Duft – jenem Mix aus Rosmarin, Thymian und Lavendel, der auf den trockenen Hügeln überall wächst. Am Gaumen zeigen die Weine eine beeindruckende Struktur: reich an weichen, reifen Tanninen, dabei frisch und lebendig, mit Noten von dunkler Beerenmarmelade, Pfeffer, Lakritz und manchmal einem Anklang von Leder oder Tabak. Gute Bandol-Rotweine sind wahre „Provence-Powerhäuser“ – sie reifen obligatorisch 18 Monate im Eichenfass, bevor sie auf den Markt kommen, und können dann problemlos ein bis zwei Jahrzehnte Flaschenreife überdauern, wobei sie immer feiner und komplexer werden. Diese Fähigkeit zur Lagerung ist im warmen Süden einzigartig und hat Bandol weltweit berühmt gemacht.

 

Doch Bandol kann nicht nur Rotwein. Etwa zwei Drittel der Produktion entfallen zwar darauf, aber die übrigen drittel teilen sich Rosé und kleine Mengen Weißwein. Und insbesondere der Bandol Rosé genießt Kultstatus unter Kennern: Er gilt als einer der gehaltvollsten Roséweine Frankreichs. Aus einem deutlich höheren Mourvèdre-Anteil gekeltert als die übrigen Provence-Rosés (meist 50% und mehr, verschnitten mit Cinsault oder Grenache), haben Bandol-Rosés mehr Struktur, Würze und Tiefe. Im Glas leuchten sie lachs- bis zwiebelschalenfarben und duften nach Grapefruit, Blutorange, Pfirsich und roten Johannisbeeren. Am Gaumen sind sie körperreich, mit feiner Tanninstruktur und salzig-mineralischen Anklängen – echte „Gourmet-Rosés“, die hervorragend Speisen begleiten können. Ob zu Bouillabaisse (der provenzalischen Fischsuppe), gegrilltem Lamm mit Kräutern oder einer mediterranen Gemüsetarte – ein Bandol-Rosé kann es dank seiner Kraft mühelos mit kräftigen Aromen aufnehmen, bleibt aber gleichzeitig elegant und erfrischend. Kein Wunder, dass viele Bandol-Winzer ihren Rosé fast so sorgfältig ausbauen wie ihren Rotwein und manche Flaschen sogar ein paar Jahre reifen lassen, damit die Aromen sich harmonisch verbinden.

 

Wer in der Gegend von Toulon unterwegs ist, sollte unbedingt einen Abstecher in die Dörfer von Bandol einplanen. Schon die Anfahrt ist ein Erlebnis: Eine schmale Straße windet sich von der Küste hinauf nach Le Castellet, vorbei an alten Mimosenbäumen, Pinien und natürlich unzähligen Weinbergen. Oben auf dem Hügel thront das mittelalterliche Dorf Le Castellet mit seiner Burg – von hier oben blickt man über ein Mosaik aus Weinparzellen, Olivenhainen und roten Ziegeldächern, bis in der Ferne das Mittelmeer glitzert. Gleich nebenan liegt La Cadière-d’Azur, ein weiteres Steindorf, in dem die Zeit stehengeblieben scheint. In diesen Orten haben einige der renommiertesten Weingüter ihre Heimat. Eines davon ist das Château de Pibarnon, das oft als das schönste Weinschloss der Provence bezeichnet wird. Auf 300 m Höhe, am Gipfel eines Hügels, liegen die Weinberge von Pibarnon wie ein grünes Amphitheater mit Blick auf Meer und Gebirge. Der Boden hier oben ist einzigartig: Fossiler Kalk aus der Trias-Zeit, gemischt mit Lehm – ideal für Mourvèdre, der hier wie ein König herrscht. Pibarnon war zudem eines der ersten Güter, das auf Bio-Anbau umgestellt hat. Besucher sind im Château nach Anmeldung willkommen (Verkostungen finden werktags statt). Eine kurvenreiche Auffahrt durch die Reben führt zum herrschaftlichen Verkostungsraum. Von dort kann man bei einem Glas des berühmten Bandol Rouge den grandiosen Ausblick genießen: Unter einem breitet sich das grüne Meer der Weinberge aus, dahinter schimmert in der Ferne das echte Meer in sattem Blau. Der rote Château de Pibarnon – ein Klassiker mit rund 90 % Mourvèdre – zeigt hier oben exemplarisch, was Bandol ausmacht: In der Nase verbinden sich wilde Kräuter und reife Beeren, am Gaumen vereinen sich Kraft und Finesse zu einem langen, würzigen Finale. Die Winzerfamilie de Saint Victor empfängt einen mit herzlicher Südfranzosen-Gastfreundschaft, und schnell fühlt man sich wie ein alter Freund des Hauses, während man von den Jahrzehnte alten Rebstöcken und der Philosophie des Weinmachens erzählt bekommt.

 

Nicht minder legendär ist das Domaine Tempier in der Nähe des Dörfchens Le Plan-du-Castellet. Tempier wird oft als Seele von Bandol bezeichnet, denn hier startete in den 1940er Jahren die Erfolgsgeschichte der Appellation: Lucien Peyraud, der junge Besitzer, setzte sich gemeinsam mit anderen Pionieren dafür ein, Bandol als Herkunft zu schützen und Mourvèdre zu fördern. Seine Frau, die unvergessene Lulu Peyraud, bewirtete über Jahrzehnte berühmte Köche, Schriftsteller und Weinliebhaber auf dem Weingut – ihr Bouillabaisse-Eintopf und der Rosé von Tempier wurden legendär. Heute noch gilt Tempier als Maßstab für Bandol-Weine. Neben wuchtigen, lagerfähigen Rotweinen produziert das Gut einen bemerkenswerten Bandol Blanc (aus Clairette, Ugni Blanc, Bourboulenc und etwas Roussanne), der mit Noten von Birne, Zitrus und salziger Mineralität überrascht. Besucher können nach Voranmeldung auch hier probieren – eine rustikale cave voller Eichenfässer und der Duft von Wein in der Luft schaffen eine authentische Atmosphäre. Ein Schluck vom Rosé “Cuvée Rosé Classique” – benannt nach Lulu – verzaubert mit Aromen von Erdbeere, rosa Pampelmuse und einem Hauch Kräuterwürze, und man versteht sofort, warum dieser Wein selbst in Kalifornien als Vorbild für hochwertige Rosés dient.

 

Neben diesen großen Namen gibt es viele kleinere Domaines familiales, die einen Besuch lohnen. Viele liegen entlang der Route des Vins von Bandol, die gut ausgeschildert ist. In den Weingütern wird man meist persönlich vom Winzer oder der Winzerin empfangen – hier geht es familiär zu. Man kann durch die Keller schlendern, die duftenden Barriquefässer bestaunen und natürlich die Weine kosten. Oft werden dazu regionale Snacks gereicht: schwarze Oliven, etwas Tapenade auf knusprigem Baguette, vielleicht ein Stück lokaler Ziegenkäse. Dazu ein Glas tiefroter Bandol – das ist provenzalische Lebensart pur. Einige Weingüter, wie das Domaine Bunan oder Château Canadel, bieten auch Kellerführungen oder Picknicks im Weinberg an. Und wer vom Genuss gar nicht genug bekommen kann, findet im Umland von Bandol charmante Wein-Unterkünfte: etwa kleine Bed & Breakfasts auf dem Winzerhof oder Landhotels mitten in den Reben. So kann man sprichwörtlich bei den Rebstöcken einschlafen – mit dem Zirpen der Zikaden als Hintergrundmusik – und am nächsten Morgen mit einem Frühstück zwischen Weinreben aufwachen.

 

Die Region Toulon/Bandol offenbart eindrucksvoll, wie reich und lebendig die Weinkultur an der Côte d’Azur ist. Vom filigranen Klosterwein bis zum mächtigen Mourvèdre-Elexier spannt sich ein Bogen, der jeden Genießer ins Schwärmen bringt. Hier vereinen sich Geschichte, Landschaft und Leidenschaft zu einem unvergleichlichen Erlebnis. Während man sein Glas Bandol in der Hand hält, mit Blick auf das funkelnde Mittelmeer und die hügeligen Weinberge, wird klar, was die Provence-Poetin mit „eine Symphonie der Sinne“ meinte. Und man versteht, dass Wein an der Côte d’Azur tatsächlich mehr ist als ein Getränk – er ist Ausdruck eines Lebensgefühls. In diesem Sinne: Auf die nächsten sonnigen Tage – santé!