Wie kommen die Aromen in den Wein?
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Jochen Mössner
- MAGAZIN
- 08.05.2025

Ein Streifzug durch Biochemie, Terroir und Kellertechnik
Die Aromatik eines Weins ist das Ergebnis eines hochkomplexen Zusammenspiels aus Rebsorte, Standortfaktoren, mikrobiologischen Prozessen und Ausbau. Doch was genau steckt hinter den vielfältigen Duft- und Geschmacksnoten, die wir in Weinbeschreibungen lesen – von Zitruszeste über Graphit bis hin zu getoastetem Holz?
Primäraromen: Herkunft aus der Traube
Die Grundlage jeder Weinaromatik bildet die Rebsorte selbst. In der Traube befinden sich sogenannte Aromavorstufen – meist in gebundener Form –, die durch enzymatische Prozesse während der Gärung freigesetzt werden. Besonders aromatische Sorten wie Muskateller, Gewürztraminer oder Sauvignon Blanc enthalten hohe Konzentrationen an Terpenen und Methoxypyrazinen, die für florale bzw. grün-pflanzliche Noten verantwortlich sind.
Sekundäraromen: Biochemie der Gärung
Bei der alkoholischen Gärung transformieren Hefen nicht nur Zucker zu Ethanol, sondern produzieren eine Vielzahl flüchtiger Verbindungen: Ester, höhere Alkohole, Aldehyde und Ketone. Diese bilden das sogenannte sekundäre Aromenspektrum, das oft mit Fruchtnoten – etwa Banane, Apfel oder Birne – assoziiert wird. Auch malolaktische Gärung (BSA) beeinflusst das Aroma, etwa durch die Bildung von Diacetyl (Butter, Sahne).
Die Wahl der Hefe (indigen vs. Reinzuchthefe), die Gärtemperatur und Sauerstoffmanagement spielen hier eine zentrale Rolle.
Terroir und Klima: Geografie als Aromakompass
Boden, Exposition, Höhenlage und Mikroklima bestimmen maßgeblich die Ausprägung der Primäraromatik. Lehmige Böden bringen oft dichtere, würzigere Weine hervor, während kalkhaltige Untergründe Frische und Präzision begünstigen. Lesezeitpunkt, Wasserstress und Sonneneinstrahlung modulieren die Konzentration und Balance von Zucker, Säure und Aromavorstufen.
Ausbau: Fässer, Tanks und oxidative Prozesse
Im Ausbau entstehen tertiäre Aromen durch Oxidation, Polymerisation und Interaktion mit dem Lagergefäß. Neue Barriques aus französischer Eiche liefern typische Noten wie Vanille, Toast, Kokos oder Kaffee – je nach Toastungsgrad. Reifung im Edelstahltank hingegen erhält die Primärfrucht, während Betoneier und Tonamphoren ein dezenteres Sauerstoffspiel ermöglichen.
Auch Batonnage, Hefelager und der Verzicht auf Schwefel beeinflussen die Aromenausprägung teils signifikant.
Flaschenreife: Die langsame Transformation
Mit zunehmender Lagerung bilden sich oxidative Aromen wie Trockenfrüchte, Nüsse, Leder oder Unterholz. Diese tertiären Noten entstehen nicht über Nacht, sondern durch jahrelange Reife unter kontrollierten Bedingungen. Die Aromatik wird feiner, komplexer – gleichzeitig nimmt die Primärfrucht tendenziell ab.