Zementtanks im Weinbau: Tradition trifft Moderne
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Jochen Mössner
- MAGAZIN
- 03.07.2025

Zement als Material für Weinbehälter kam Anfang des 20. Jahrhunderts in Mode, insbesondere in Frankreich, Italien und Spanien. Die robusten Tanks galten als langlebig, kostengünstig und ideal für große Produktionsmengen. In den 1960er- und 1970er-Jahren verdrängten Edelstahltanks die Zementtanks zunehmend. Edelstahl versprach Hygiene, Temperaturkontrolle und eine modernere Kellerästhetik. Viele alte Betontanks wurden zugemauert oder zweckentfremdet.
Doch in den letzten zwei Jahrzehnten hat sich das Bild gewandelt: Pioniere der „Naturwein“-Bewegung, biodynamische Winzer und Qualitätsfanatiker entdeckten die Stärken des Materials neu. Heute sind Zementtanks — oft in Form von konischen Eiern oder amphorenähnlichen Gebilden — fester Bestandteil moderner Weingüter von Kalifornien über das Burgund bis nach Südafrika.
Die Wirkung auf den Wein
Zement ist porös, ähnlich wie Holz, und ermöglicht eine mikroskopische Sauerstoffzufuhr. Diese Mikrooxidation kann helfen, die Tannine abzurunden und die Aromatik zu verfeinern, ohne dass der Wein Holznoten aufnimmt. Der neutrale Charakter des Betons erlaubt es dem Wein, seine Frucht und Herkunft klarer auszudrücken.
Zudem wirken Zementtanks als natürlicher Temperaturpuffer: Die massive Wandung speichert und reguliert die Gärtemperatur sanft, was gerade bei spontan vergorenen oder empfindlichen Weinen Vorteile bringt.
Besonders beliebt ist Zement für Weine, die Reinheit und Präzision in der Frucht zeigen sollen — etwa für Chardonnay, Chenin Blanc oder Syrah. Auch bei längerer Hefelagerung profitieren die Weine von der feinen Reduktion und dem subtilen Sauerstoffkontakt.
Zement als Teil einer vielfältigen Kellerphilosophie
Kaum ein modernes Weingut setzt ausschließlich auf ein Material. Vielmehr geht es um das Zusammenspiel: Zementtanks liefern Frische und Textur, während kleine Eichenfässer Struktur und Komplexität geben können. Edelstahl ergänzt mit Präzision und Fruchtbetonung.
Besonders auffällig: Viele Spitzenweine — von der Rhône bis Kalifornien — nutzen heute Zement gezielt, um Rebsorte und Terroir unverfälscht zur Geltung zu bringen. Die Behältnisse werden oft maßgefertigt: konisch, oval, eiförmig — Formen, die den natürlichen Zirkulationsbewegungen des Weins während der Gärung und Reifung entgegenkommen.
Zementtanks sind also weder Nostalgie noch bloßes Design-Statement. Sie sind ein Werkzeug im Keller, das Handwerk, Natur und Technologie auf besondere Weise verbindet. Ihre Renaissance zeigt: Auch im Weinbau gilt, dass das Material nicht altmodisch sein muss, nur weil es eine lange Geschichte hat.